Notizen für die www.Initiative-Dialog.de

10 Oktober 2000

BGH zum Brandanschlag auf Synagoge

Urteil wegen Brandanschlags auf jüdische Synagoge in Erfurt rechtskräftig

Das Thüringer Oberlandesgericht in Jena hat am 13. Juli 2000 zwei 17 bzw. 18 Jahre alte Männer wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit verbotswidrigem Herstellen von Brandsätzen zu Jugendstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein weiterer Achtzehnjähriger ist der Beihilfe zur versuchten schweren Brandstiftung schuldig gesprochen, insoweit aber die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden.

Die beiden Haupttäter hatten in der Nacht des 20. April 2000 zwei selbstgebastelte Brandsätze auf die jüdische Synagoge in Erfurt geworfen. Der dritte Angeklagte hatte sie mit dem Auto zum Tatort gefahren. Entgegen der Absicht der Täter, das Gebäude in Brand zu setzen, verlöschten die Brandsätze, ehe sie auf der Mauer aufprallten. Die Haupttäter - beide Mitglieder im "Bund Deutscher Patrioten", einer Absplitterung der NPD in Thüringen - hatten die Tat aus antisemitischer Grundhaltung unternommen und als Tattag bewußt den Geburtstag Adolf Hitlers gewählt. Mit ihr wollten sie politisch Gleichgesinnte ebenfalls zu vergleichbaren Taten bewegen. Weil die Tat nach diesen Umständen bestimmt und geeignet war, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, und weil der Sache besondere Bedeutung beizumessen war (§ 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG), hatte der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung übernommen und die Sache zum Thüringer Oberlandesgericht angeklagt. Das Gericht hatte – der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts folgend - seine Zuständigkeit bejaht und das Verfahren durchgeführt.

Gegen das Urteil hatte einer der Haupttäter Revision eingelegt - 3 StR 434/00. Ehe der für Staatsschutz-Strafsachen zuständige 3. Strafsenat entscheiden konnte, ist die Revision zurückgenommen worden. Das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena ist daher in vollem Umfang rechtskräftig.

Karlsruhe, den 10. Oktober 2000
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

06 April 2000

BGH zur Holocaust-Verharmlosung

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen Volksverhetzung

Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten, der von Beruf Rechtsanwalt ist, wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieser hatte in einem anderen Strafverfahren den vormaligen NPD-Vorsitzenden Deckert verteidigt und dort einen Beweisantrag gestellt, mit dem er den früheren Bundespräsidenten, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und den vormaligen Bundeskanzler als Zeugen dafür benannte, daß es "primär massive politische Interessen" seien, "welche dem Durchbruch der historischen Wahrheit im Zusammenhang mit dem Holocaust" entgegenstünden, "und zwar nicht einmal in erster Linie diejenigen der überlebenden Juden und deren Abkömmlinge oder gar des Staates Israel, sondern vor allem diejenigen" der "eigenen (deutschen) politischen Klasse, welche ihre einzigartige politische Unfähigkeit seit fast 50 Jahren mit der 'Einzigartigkeit der deutschen Schuld' " legitimiere und nicht in der Lage sei zuzugeben, daß sie sich "an der Nase herumführen und für dumm verkaufen" lasse.

Darin hat das Landgericht eine Verharmlosung des Holocaust im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gesehen (§ 130 Abs. 3 StGB).

Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine höhere Strafe erstrebte, hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes als unbegründet verworfen. Der Senat hat allerdings hervorgehoben, daß in Fällen, in denen der Verteidiger einen seinerseits der Volksverhetzung angeklagten Mandanten vertritt, im Blick auf die Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung die Anwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Tatbestandsausschlußklausel geboten ist (§ 86 Abs. 3 StGB). Diese gilt u.a. für Handlungen, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder "ähnlichen Zwecken" dienen. Strafverteidigung ist von ihrem Gewicht her ein solcher "ähnlicher Zweck" im Sinne dieser Klausel. Denn das Recht auf eine wirksame Verteidigung ist notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Dieses Recht wäre ernsthaft gefährdet, wenn der Verteidiger wegen einer üblichen und prozessual zulässigen Verteidigungstätigkeit selbst strafrechtlich verfolgt würde. Da Strafverteidigung ihrer Natur nach auf den Schutz des Beschuldigten vor Anklage, Verhaftung und Verurteilung ausgerichtet ist, wirkt sie sich beispielsweise bei der Verteidigung von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen mitunter notwendigerweise günstig auf den Fortbestand einer solchen terroristischen Vereinigung aus. Für eine derartige Fallgestaltung hat der Bundesgerichtshof bereits 1979 hervorgehoben, daß in einem solchen Konfliktfall zwischen prozessual zulässigem Verteidigerhandeln und der Erfüllung von Straftatbeständen (dort dem Verbot der Unterstützung terroristischer Vereinigungen) ein rechtswidriges Handeln des Verteidigers nicht angenommen werden könne, es sei denn, es gebe sich lediglich den Anschein zulässiger Verteidigung, verfolge in Wirklichkeit indessen ausschließlich verteidigungsfremde Zwecke (BGHSt 29, 99, 105).

Auf den Schutz dieses Regelungsgefüges kann aber nur derjenige Verteidiger setzen, der mit seiner Prozeßerklärung und seinem Antrag zumindest auch Zwecke der Verteidigung verfolgt. Das hat das Landgericht hier jedoch auf der Grundlage einer Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände verneint. Das Landgericht hat hier festgestellt, daß der Angeklagte bei Stellung des Beweisantrages allein verteidigungsfremde Zwecke verfolgt hat. Der Senat hat dies im Blick auf die Formulierung des Antrages nicht beanstandet.

Urteil vom 6. April 2000 - 1 StR 502/99
Karlsruhe, den 6. April 2000

14 Januar 2000

BGH zur Strafverfolgung eines rechtsextrem. Mordversuchs

Nr. 1/2000 Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur Verfolgung rechtsextremistischer Gewalttäter bestätigt

Der Generalbundesanwalt führt gegen mehrere Jugendliche und einen Heranwachsenden ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Den Beschuldigten liegt zur Last, gemeinschaftlich versucht zu haben, aus dem niederen Beweggrund "Ausländerhaß" zwei Vietnamesen zu töten, und diese vorsätzlich schwer verletzt zu haben. Die Täter - Mitglieder der örtlichen rechtsextremistischen Jugendszene - sollen die Vietnamesen verfolgt, sie zu Fall gebracht und wuchtig mit den Fäusten sowie mit - teilweise schweren, festen - Schuhen auf Kopf, Bauch und Rücken der Geschädigten eingetreten haben. Dabei sollen sie Parolen wie "Ausländer verrecke" und "Ausländersau" geschrieen haben.

Nach einer von einem der Beschuldigte beantragten mündlichen Haftprüfung hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordnet, daß der ergangene Haftbefehl des Landgerichts Neubrandenburg aufrechterhalten bleibt und weiterhin zu vollziehen ist. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wurde vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluß die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur Strafverfolgung bejaht. Da die Tat "nach den Umständen bestimmt" und geeignet ist, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, und der Generalbundesanwalt die ausnahmsweise gegebene besondere Bedeutung des Falles im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr durch Gleichgesinnte und die im In- und Ausland hervorgerufene besondere Beachtung in vertretbarer Weise bejaht hat, handelt es sich um eine Straftat aus dem Bereich des Staatsschutzes, für den nicht die Strafgerichtsbarkeit der Bundesländer, sondern die des Bundes gegeben ist. Durch die aus rechtsextremistischer Gesinnung seit 1990 immer wieder gegen ausländische Mitbürger begangen Straftaten mit schwerwiegenden Folgen für die Opfer, die lediglich als Repräsentanten der von den Tätern gehaßten Gruppe der Ausländer angegriffen werden, wird zum einen das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern empfindlich gestört; zum anderen wird auch in der Öffentlichkeit, insbesondere unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern, ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung hervorgerufen, in dem die innere Sicherheit beeinträchtigende Zweifel aufkommen, ob die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig und entschlossen sind, die ausländischen Mitbürger zu schützen. Außerdem lösen sie bei Personen mit einer rechtsextremen Gesinnung einen Nachahmungseffekt aus mit der Folge einer immer schwerer beherrschbaren Gefahr. Es sind ausreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß von den Tätern diese sich ihnen aufdrängenden Auswirkungen ihrer Straftat gewollt waren .

In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof bestätigt, daß der Beschwerdeführer nach dem derzeitigen Ermittlungsstand der mittäterschaftlichen Beteiligung an der ihm vorgeworfenen Straftat dringend verdächtig ist, die Haftgründe der Verdunkelungs- und Fluchtgefahr bestehen und angesichts der Schwere des Tatvorwurfs der weitere Vollzug des Haftbefehls nicht unverhältnismäßig ist.

Beschluß vom 12. Januar 2000 – StB 15/99
Karlsruhe, den 14. Januar 2000