Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen Volksverhetzung
Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten, der von Beruf Rechtsanwalt ist, wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieser hatte in einem anderen Strafverfahren den vormaligen NPD-Vorsitzenden Deckert verteidigt und dort einen Beweisantrag gestellt, mit dem er den früheren Bundespräsidenten, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und den vormaligen Bundeskanzler als Zeugen dafür benannte, daß es "primär massive politische Interessen" seien, "welche dem Durchbruch der historischen Wahrheit im Zusammenhang mit dem Holocaust" entgegenstünden, "und zwar nicht einmal in erster Linie diejenigen der überlebenden Juden und deren Abkömmlinge oder gar des Staates Israel, sondern vor allem diejenigen" der "eigenen (deutschen) politischen Klasse, welche ihre einzigartige politische Unfähigkeit seit fast 50 Jahren mit der 'Einzigartigkeit der deutschen Schuld' " legitimiere und nicht in der Lage sei zuzugeben, daß sie sich "an der Nase herumführen und für dumm verkaufen" lasse.
Darin hat das Landgericht eine Verharmlosung des Holocaust im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gesehen (§ 130 Abs. 3 StGB).
Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine höhere Strafe erstrebte, hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes als unbegründet verworfen. Der Senat hat allerdings hervorgehoben, daß in Fällen, in denen der Verteidiger einen seinerseits der Volksverhetzung angeklagten Mandanten vertritt, im Blick auf die Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung die Anwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Tatbestandsausschlußklausel geboten ist (§ 86 Abs. 3 StGB). Diese gilt u.a. für Handlungen, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder "ähnlichen Zwecken" dienen. Strafverteidigung ist von ihrem Gewicht her ein solcher "ähnlicher Zweck" im Sinne dieser Klausel. Denn das Recht auf eine wirksame Verteidigung ist notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Dieses Recht wäre ernsthaft gefährdet, wenn der Verteidiger wegen einer üblichen und prozessual zulässigen Verteidigungstätigkeit selbst strafrechtlich verfolgt würde. Da Strafverteidigung ihrer Natur nach auf den Schutz des Beschuldigten vor Anklage, Verhaftung und Verurteilung ausgerichtet ist, wirkt sie sich beispielsweise bei der Verteidigung von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen mitunter notwendigerweise günstig auf den Fortbestand einer solchen terroristischen Vereinigung aus. Für eine derartige Fallgestaltung hat der Bundesgerichtshof bereits 1979 hervorgehoben, daß in einem solchen Konfliktfall zwischen prozessual zulässigem Verteidigerhandeln und der Erfüllung von Straftatbeständen (dort dem Verbot der Unterstützung terroristischer Vereinigungen) ein rechtswidriges Handeln des Verteidigers nicht angenommen werden könne, es sei denn, es gebe sich lediglich den Anschein zulässiger Verteidigung, verfolge in Wirklichkeit indessen ausschließlich verteidigungsfremde Zwecke (BGHSt 29, 99, 105).
Auf den Schutz dieses Regelungsgefüges kann aber nur derjenige Verteidiger setzen, der mit seiner Prozeßerklärung und seinem Antrag zumindest auch Zwecke der Verteidigung verfolgt. Das hat das Landgericht hier jedoch auf der Grundlage einer Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände verneint. Das Landgericht hat hier festgestellt, daß der Angeklagte bei Stellung des Beweisantrages allein verteidigungsfremde Zwecke verfolgt hat. Der Senat hat dies im Blick auf die Formulierung des Antrages nicht beanstandet.
Urteil vom 6. April 2000 - 1 StR 502/99
Karlsruhe, den 6. April 2000
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