Notizen für die www.Initiative-Dialog.de

01 Dezember 2011

Osloer Gutachter: "Breivik unzurechnungsfähig"

Geht es nach den Ansichten von zwei gerichtlich bestellten Psychiatern, so kommt Anders Breivik nicht in Haft, sondern in eine psychiatrische Einrichtung, denn der 32-jährige Massenmörder sei unzurechnungsfähig bzw. eigentlich schuldunfähig.
Darauf hatte bereits die Verteidigung plädieren wollen >> 20.Juli 2011
Durch die Gutachten wird dieses Thema jetzt brisanter, so dass es mehr Überlegung für die Grundsätzlichkeiten bedarf, auch wenn es primär Sache derer ist, die dafür Zeit, Stelle und Gehälter haben.

Die Osloer Staatsanwaltschaft fasst die Begründung derart zusammen, dass Breivik in seinem eigenen wahnhaften Universum lebe, von dem seine Gedanken und Handlungen beherrscht seien und er deshalb glaube, über Leben und Tod anderer entscheiden zu dürfen. - Mit solcher Begründung wäre praktisch jeder extremistischer Terrorismus straffrei, keine Straftat, sobald der Terrorist keine Reue zeigt und beharrlich die subjektive Richtigkeit seines Handelns behauptet. Und die Gesellschaft wäre verpflichtet, solche Behauptung zu glauben?

Erfahrungen unseres AntifaProjekts

Breivik müsste ein Sonderfall sein, zumindest aus Perspektive unserer Erfahrungen mit Rechtsextremisten, denn wann immer wir Rechtsextremisten gründlicher klärten, stellte sich heraus, dass ihnen ihr "Weltbild" nicht annähernd wichtig ist, sondern allenfalls die Wirkungen: die mitunter ekstatische Berauschung an der Rücksichtslosigkeit, mit der das eigentlich empfundene Unvermögen kompensiert werden soll. Die Willkür als Ausdruck von Macht, der Tabubruch als Ausdruck von Gegenmacht usw., die öffentliche Empörung und das allgemeine Entsetzen als Bedeutungsgewinn.

Das angebliche "Weltbild" von Rechtsextremisten ist kein Geglaubtes, sondern eher eine Art Strategie- und Rollenspiel, eben nur nicht per Identifikation mit den Helden des Groschenromans oder mit dem Bonuserlebnis von Computerspielen, sondern mit dem Kick des Realen. Die "eigenen Regeln" von Rechtsextremisten sind ihnen allenfalls oberflächlich Glaubensbekenntnis, in der Hauptsache bloß Werkzeug und Wirkung - vergleichbar dem Schnappmesser, "praktisch" für Rücken und Bäuche, nicht den eigenen. Gemeinschädliches Kräftemessen als Spiel.

Die Ursachen für solch Verhalten findet sich in allen uns bekannten Fällen in Persönlichkeitsverletzungen, wie sie zumeist familiär, aber auch in Bildungseinrichtungen und Beruf erlitten und/oder verschlimmert werden, vielfältiger Art und über das Opferspektrum späterer Rechtsextremisten hinaus verbreitet sind, so dass sich darauf kein Rechtsextremist rausreden kann, wenn überhaupt dazu bereit, denn Rechtsextremisten sind zumeist am Eingeständnis persönlicher Probleme wenig interessiert, weil sie sich dadurch der politischen Spinnerei, Lügerei und Verbrecherei als ungerechtfertigt überführen würden.

Was erkundete die psychiatrische Diagnostik bei Breivik genau? Und wie erfahren sind die Gutachter überhaupt mit Rechtsextremisten, wenn sie ihm paranoide Schizophrenie bescheinigen?
Breivik ein "wahnhaftes Universum" zuzuerkennen, schenkt jedenfalls seinen behaupteten Motiven Glauben. Motive, die er auf hunderten Seiten dargelegt vollends ins Raster rechtsextremistisch typischer und bewusster Alibi-Veranstaltung fallen, um die eigenen Verletzungen, Unzulänglichkeiten zu kaschieren und an daran Schuldlosen und der Gesellschaft zu rächen.
Rache wäre an deutschem Recht gemessen ein niedriger Beweggrund und darin typischerweise auch mit pathologischen Zügen, aber das Wesen der Schuld bleibt das Wissen, durch welches Verhalten Gesetze übertreten werden.
Woraus schließen die Gutachter, dass es Breivik an solchem Wissen gefehlt habe bzw. nicht in der Lage sei, das Unrecht seiner Tat zu erkennen und nicht bloß zu leugnen?

Breivik behauptet, schuldfähig zu sein, behauptet, die Diagnose kränke ihn usw., aber wahrscheinlicher ist, dass er die Gutachter gründlich verladen hat und sich das Ergebnis als weiteren Erfolg ausweist, denn wie es im Songtext einer rechtsextremistischen Band heißt: "Sie nennen uns Verbrecher, Kriminelle, Psychopathen. Doch montags ist die Zeitung voll mit unseren Heldentaten." - Sind nun Band und Publikum schuldunfähig, "paranoid" und "schizophren"?

Der Biedermann und die Brandstifter. - Die Ignoranz bzw. Untätigkeit ist Verschulden und spielt diese im Brandfall damit herunter, dass der Brandstifter eine Überraschung und ein Kranker sei.