Notizen für die www.Initiative-Dialog.de

22 Dezember 2004

BGH: Holocaustverharmlosung

Bundesgerichtshof hebt Freispruch vom Vorwurf
der Volksverhetzung auf
Nr. 153/2004

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat den Freispruch eines 67jährigen Maschinenbauingenieurs vom Vorwurf der Volksverhetzung durch das Landgericht Erfurt auf die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben.
Dem Angeklagten lag zur Last, eine Schrift verbreitet zu haben, in der die Tötung von Juden in Auschwitz verharmlost worden sei. Bei dieser Schrift handelte es sich um den vom Angeklagten erstellten schriftlichen Rechenschaftsbericht, den er als Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Thüringen auf einer nicht öffentlichen Verbandssitzung am 9. November 2001, zu der nur Delegierte und geladene Pressevertreter Zutritt hatten, mündlich erstattete. Der Rechenschaftsbericht, der den deutlich sichtbaren Vermerk trug: "Sperrfrist: 09.11.2001, 9.30 Uhr. Es gilt das gesprochene Wort!", wurde für Pressevertreter in fünf Pressemappen bereitgehalten. Den Delegierten wurde der schriftliche Rechenschaftsbericht nicht ausgehändigt.
Der Bericht enthielt unter anderem folgende Passage:
"Noch verhindern die Wolken einer bewusst betriebenen einseitigen Kollektivschuldzuweisung gegenüber unserem Volke den klaren Blick zur Beurteilung der Verbrechen in der jüngeren europäischen Geschichte und über die Kriegsschuld an den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts. Dies wird sich bald verändern, da die Lügen über Katyn, über Jebawke (richtig Jedwabne), über die Opfer in Auschwitz und anderes nicht mehr länger zu halten sind."
Vor den Delegierten trug der Angeklagte den Bericht davon abweichend wie folgt vor:
"Noch verhindern die Wolken einer bewusst betriebenen einseitigen Kollektivschuldzuweisung gegenüber unserem Volke den klaren Blick zur Beurteilung der Verbrechen in der jüngeren europäischen Geschichte und über die Kriegsschuld in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts. Dies wird sich bald verändern, da die Lügen über Katyn, Jedwabne und die Aussagen über die Opfer in Auschwitz und anderes nicht mehr länger zu halten sind. In Auschwitz gab es offensichtlich keine 6 Millionen Opfer, sondern, wie ich in Polen erfahren habe, sind 930.000 nachgewiesen. Dabei geht es nicht um die Relativierung des Verbrechens, sondern um die geschichtliche Wahrheit. Sie kennen meine Einstellung, dass jedes Opfer eines Verbrechens zu viel ist."
Während des Vortrags, zu dem etwa 15 Journalisten erwartet worden waren, war lediglich ein Vertreter der Thüringer Allgemeinen Zeitung anwesend, der über die Rede später einen kritischen Zeitungsartikel verfaßte. Ein weiterer Journalist, der verspätet eingetroffen war und ebenfalls die Pressemappe erhalten hatte, sah im Hinblick auf den Sperrvermerk von einer Berichterstattung ab.
Das Landgericht hat nach Meinung des Bundesgerichtshofs rechtlich vertretbar ein Vergehen der Volksverhetzung in der Tatmodalität eines "Verbrechens" durch Verteilung der Presseerklärung verneint. Ein "Verbreiten" setzt voraus, daß die Schrift ihrer Substanz nach und nicht nur ihr geistiger Inhalt einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, der für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Die Weitergabe an zwei Pressevertreter genügte dafür nicht.
Zur Aufhebung des Urteils führte jedoch die unterlassene Überprüfung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt anderer Tatbestandsalternativen des § 130 StGB. Nach den bisherigen Feststellungen könnten die mündlichen Äußerungen des Angeklagten ein bewußtes Infragestellen der Opferzahlen von Auschwitz darstellen und damit die Alternative "in einer Versammlung verharmlosen" im Rahmen von § 130 Abs. 3 StGB erfüllen. Die Strafkammer hat nach Ansicht des 2. Strafsenats auch zu Unrecht ein "Zugänglichmachen" (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) StGB verneint, weil es am Merkmal der Öffentlichkeit) fehle: denn die Pressevertreter waren ein Teil der Öffentlichkeit im Sinne dieser Regelung. Auch hat die Strafkammer es unterlassen, zu prüfen, ob im Hinblick auf die Bereitstellung der Pressemappen nicht die Tatmodalität "vorrätig halten" zum Zwecke der Verbreitung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) StGB) vorliegt. Eine solche Prüfung hätte nach den bisherigen Feststellungen nahegelegen.
Der 2. Strafsenat hat daher das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen.

Urteil vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 365/04
Karlsruhe, den 22. Dezember 2004

09 Dezember 2004

Stimmen-Eklat im Sächsischen Landtag

Dresden (Deutschland), 09.12.2004 – Im Sächsischen Landtag ist es erneut zu einem Eklat gekommen. Bei der Wahl zum Ausländerbeauftragten am 9. Dezember 2004 trat auch ein Vertreter der NPD an, die mit zwölf Mandaten im Parlament vertreten sind. Erneut hatte er zwei Stimmen mehr bekommen. Bereits bei der Wahl zum Ministerpräsidenten am 10. November 2004 hatte der NPD-Kandidat Holger Apfel mehr Stimmen bekommen, als Fraktionsmitglieder vorhanden. Gewählt wurde schließlich Friederike de Haas von der CDU, die mit 70 Stimmen die nötige absolute Mehrheit erhielt.

Die sächsische Regierung besteht aus einer Koalition zwischen SPD und CDU. Zum Ministerpräsidenten wurde Georg Milbradt von der CDU gewählt, allerdings erst im zweiten Wahlgang, was von den Beobachtern als Schlappe gewertet wird. Insgesamt fünf Abgeordnete – die Regierungskoalition hätte rechnerisch 75 Stimmen bekommen müssen – hatten ihn nicht gewählt. Für Aufsehen sorgte die Tatsache, dass die NPD bei der Landtagswahl 2004 mit 9,2 Prozent deutlich in den Sächsischen Landtag gewählt wurde. +wikinews+

KOMMENTAR

So zeigt sich, wie "fließend" die Ausländerfeindlichkeit die Grenzen zwischen "Rechten" und "Rechtsextremisten" macht.

13 November 2004

NS-Kriegsverherrlichung verbieten

Nach Ansicht der Richter des Cottbusser Verwaltungsgerichts und nun auch der Richter des Frankfurter Oberwaltungsgerichts Frankfurt/Oder dürfen Neonazis den Soldatenfriedhof von Halbe im südlichen Brandenburg schänden und den NS-Krieg verherrlichen.

In Halbe sind etwa 22.000 Menschen begraben, die in den letzten Kriegstagen den mörderischen und selbstmörderischen Durchhaltebefehlen der Nazi-Diktatur Folge leisteten und der unvermeidbar vorrückenden Roten Armee vollkommen sinnlose Gefechte zu liefern hatten.

Die Verwaltungsrichter verkennen offenbar den 2.Weltkrieg in seiner Eigenschaft als Angriffs- und Raubkrieg, wie er ideologisch vom NS-Regime «Herrenrasse» + «Lebensraumgewinnung» propagiert und durchgeführt wurde.

Die mörderische und selbstmörderische Teilnahme an diesem Krieg auf Seiten der Nationalsozialisten ist von A bis Z und in höchstem Maße zu bedauern, aber taugt unter keinem Gesichtspunkt zum Heldengedenken, außer für jene, die gegen das NS-Regime aktiven Widerstand leisteten.

Wenn nun eine Demonstration unter dem Motto «Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten» gestattet wird, so liegt darin eine mit der antifaschistischen Grundordnung unseres Staates unvereinbare Verherrlichung des NS-Krieges, Beleidigung der vom Faschismus befreienden Soldaten und maßlose Verhöhnung der Opfer auf allen Seiten dieses verbrecherischen Krieges, insbesondere auch derer, die auf diesem Soldatenfriedhof liegen, denn jedes Kind dort, das dort liegt und mit dem sogenannten "Volkssturm" in Kriegshandlungen verführt und gezwungen wurde, war damit schon durch das NS-Regime geschändet und wird es nun nochmals durch Neonazis, die aus dem nationalsozialistischen Kinderopfer auch noch einen Heldenkult zu machen versuchen.
Solch eine Demonstration ist als Angriff auf die öffentliche Ordnung des Staates anzusehen und ist demzufolge zu verbieten.
Sollte es den Richtern an Klarheit hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland fehlen, so hätten sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen gehabt.
Sollten die Bundesverfassungsrichter einen Mangel an Gesetzen und Durchführungsbestimmungen im Verhältnis zur Verfassung feststellen, so wäre der Gesetzgeber aufgefordert, solche Gesetze zu fertigen.
Der Bundestag ist keine Wahlkampfveranstaltung, sondern hat die erforderlichen Gesetze für das Gemeinwesen zu schaffen und gegebenenfalls nachzubessern.

-msr- ABSTIMMUNG

28 Oktober 2004

Sonderschule für Rechtsextremisten

Lektion 1: Der Mensch


Auch Nazis sind Menschen, wissen nur nicht, was es bedeutet.

http://www.nazis.de/ erklärt Nazis, was Nazis ihnen verschweigen:

DASS DER MENSCH ZUERST MENSCH SEIN MUSS.
MENSCHLICHKEIT
und ALLES andere findet darin sein Maß. >> Ideale.de



Wir wollen mit dieser Seite keine Sonderschüler diskriminieren, sondern wir wollen tatsächlich eine "Sonderschule für Nazis" sein. Dialog-Lexikon

27 September 2004

Der Untergang bzw. Kapitulation Impossible

Samstag waren wir drin, mein Weib, meine Erwartung nach Lektüre von kontroversen Kritiken und acht Euro ausnahmsweise nicht zuviel.

Schauspielerisch klasse, passagenweise etwas zu sehr Steven Spielberg, also an Zumutbarkeitsgrenzen realistisch, aber so, dass auch den blödesten Idioten die Schwärmerei für Krieg und Soldatisches vergehen müsste. Folglich kein Film für Faschos, die Faschos bleiben wollen.

Die Bilder im kämpfenden und verreckenden Berlin kontrastieren mit den Illusionen, denen sich Hitler, Goebbels und die Leute im "Führerbunker" mit zunehmender Verzweiflung hingeben. Und das ist schon das "Eigene" dieses Films, was viele Kritiken m.E. falsch auf den Aspekt reduzieren, dass "Hitler nicht als Monster" dargestellt wird.

Richtig. Der Film bringt Hitler weder "zu sehr" noch "endlich" als Menschen, denn solche Selbstverständlichkeit kann ohnehin nur derjenige anzweifeln, der selbst zu abwegigen Geschichtserklärungen greift und mit Dämonisierungen Wasser auf die Räder von Mythosbastlern gibt.

Hitler, ein Mensch. Und was viele nicht wahrhaben wollen, weil es die bitterste Erkenntnis ist: Der politische Wahnsinn braucht nur die passende Gelegenheit. - Kein Genie, keine Dämonen, keinen Ausnahmefall. Sondern ist dem Menschen viel näher, als ihm lieb sein kann.

Und diese Einsicht macht sich im Bunker breit. Alle wissen, dass es vorbei ist. Aber es gibt keinen Ausweg mehr. Die Verzweiflung über die totale Verfahrenheit, in die sich die NS-Clique unter Aufbietung aller Gewalt-Ressourcen Deutschlands gebracht und sich selbst jeglicher Entscheidungsalternative beraubt hatte:

"Kapitulation unmöglich" hätte der Filmtitel treffender lauten können. "Der Untergang" als Titel ist mir zu lau, zu wenig passend, denn wer "untergeht" und kein Schwein sein will, versucht zu retten, was möglich ist, vielleicht nicht sich selbst, aber andere.

Doch inhaltlich gelang es dem Film: Auch die kriminellsten Menschen ertragen es nicht, nichts weiter als miese Schweine zu sein und suchen deshalb die Schuld bei anderen: Das Volk habe den Untergang selbst gewählt, versagt - "Kollektivschuld" auf der ganzen Linie.

Und Wahrheit ist ja auch dran, denn Millionen wählten Hitler, obwohl er 1932 in einer berühmten Rede unter frenetischem Beifall ganz sicher nichtsahnend richtig prophezeite: "Sie können uns unterdrrrücken, sie können uns meinetwegen töööten, kapituliiiierren werrrden wir NICHT."

Diesen Satz hätte ich dem ganzen Film vorangestellt, denn es war das vorhersehbare Schicksal des Nationalsozialismus, den Weg in den Abgrund ohne Alternative.

Zuletzt die Neuauflage der wirren Dolchstoßlegende, in der sich alles gegen das vermeintlich Edle verschwört, nicht nur die Juden, die Alliierten, auch die Generalität, die Nationalsozialismus verraten habe, weil sie nicht stirbt, wo sie soll und dann die verlogene Wehleidigkeit um die fiktiven Besten, die im Kampf gefallen seien. Eine Wehleidigkeit Hitlers, die man ihm als Gefreitem im Lazarett und ohne Überblick von Versailles erfuhr noch abnehmen konnte. Aber nicht mehr nach Stalingrad.

Dieses Mal würde ohnehin nur überleben, wer sich gedrückt habe. In solcher Logik braucht es kein Mitleid mit dem verreckenden Volk, dessen Kinder und Greise als letzte Helden des Regimes in den Straßen Berlins nichts anderes auszurichten hatten als den Wehrmachtssoldaten das "Schussfeld" unübersichtlich zu machen und die Brutalität der einrückenden Russen gegenüber der Zivilbevölkerung zu steigern, denn durch den Kriegseinsatz von Zivilisten ging der Roten Armee die Unterscheidbarkeit zu den Soldaten verloren. Das machte mir der Film klar wie nie und die Spuren in der Stadt bis heute.
Berlin hatte keine Chance sich geordnet zu ergeben wie Köln, das Goebbels in seinen Tagebuchaufzeichnungen am liebsten hätte bombardieren lassen. Auch das hätte der Film bringen können. Tat er nicht, kam ohne aus, war längst genug im Übermaß.

"Kapitulation unmöglich", denn es gab für sie nach allem kein Exil. Auch Halunken und Mitläufer können verzweifeln und tun es auf die ihnen geübte Art: "irrational", aber genau darin "hochplausibel".

-msr- Diskussion

12 Juli 2004

Wie viel Rückhalt hatte der Nationalsozialismus?

Gast 56 hat folgendes geschrieben: "ca. 95 % der Deutschen haben damals das Fähnchen geschwenkt, und standen hinter der Idee."

So taten die Nazis.

Gast 56 hat folgendes geschrieben: "Es ist reine Spekulation, wie Du Dich damals verhalten hättest...?"

So schrieb ich.

Gast 56 hat folgendes geschrieben: "Vielleicht wärst Du Obersturmbannführer geworden?"

Deshalb schrieb ich: "möglicherweise noch schlimmer: Verbrechen." Entweder Du liest nicht, was wir schreiben oder Du findest Gefallen daran, gegen Antifaschisten die Spekulation zur Wahrheit zu dichten, um sie in eine Reihe mit den Versagern zu stellen: "Vergewaltige, wenn Du ein Mann gewesen wärest, dann hättest Du vielleicht vergewaltigt."
Nur Schurken spekulieren sich die Welt so, dass sie nur noch aus Schurken bestehe.

Gast 56 hat folgendes geschrieben: "...alles nur Sache der Erziehung."

Wenn "alles nur Sache der Erziehung" wäre und der Mensch ohne eigenen Willen, ... - Das wünschen sich manche Eltern und Ideologen, aber so geschieht es nicht und wäre bereits Verbrechen.

Gast 56 hat folgendes geschrieben: "P.S.: wieso habe ich ausgerechnet den Namen "Gast 56" erhalten? Ist das etwa in Anbetracht auf Adolf's Alter, als er 1945 verstarb?"

Mit Spekulationen hast Du mehr Pech als andere, weil Du zu viel braune Träume im Hinterköpfchen hast. Den vorherigen Gast nannte ich "55".

Und Hitler "verstarb" nicht, sondern beging Suizid, nachdem er seinen Hund und seine Frau tötete.
Es macht einen Unterschied, auf welche Weise jemand zu Tode kommt, ansonsten würden wir uns hier manche Diskussion sparen.

Den Rest beantwortete Dir Noah. - Nun lasse Du mal erkennen, dass Du Dich korrigieren lässt, wenn die Dinge so klar auf der Hand liegen.

Grüße von Sven

  • Diskussionen.de
  • Zur "Vergessenskultur" des Neofaschismus

    Gast schrieb: "Warum sollen wir heute noch im jahre 2004 nach ueber 60 Jahren noch ueber laengst vergangene Ereignisse 60 jahre zurueckliegend und laenger, diskutieren?"

    Martin antwortet: Weil die Vergangenheit in der Gegenwart präsent ist.

    Traumatisierungen wirken generationenübergreifend. Das Zusammenleben von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen ist verständlicherweise oftmals immer noch problematisch. Das ganze Diskursfeld ist kompliziert und oftmals abgründig, so dass unbedingter Dialogbedarf besteht.

    Es ist ein naiver Irrtum zu glauben, mit dem Tod der direkt Betroffenen sei der Fall erledigt. Das, was war, wirkt fort und zwar in nahezu allen Bereichen der politisch-gesellschaftlichen und der kulturellen Verfassung, in der wir leben. Ohne Kenntnis des NS sind die Entwicklung der Bundesrepublik, ihr Selbstverständnis und die Verfassung ihrer Gesellschaft nicht zu verstehen.

    Und Vieles ist immer noch nicht zum Besten bestellt und wirkt bis in die Gegenwart:
    Die Mechanismen gesellschaftlicher Erinnerung sind eine komplizierte Angelegenheit. Man kann z.B. mit Recht kritisieren, dass Erinnerung bei uns mehr oder weniger vollständig institutionalisiert und an bestimmte Funktionsträger delegiert ist. Untersucht man bestimmte Bereiche der Kultur, auch in ihrer Entwicklung seit 1945, dann stellt man fest, dass dem weit verbreiteten Überdruss an der angeblichen Omnipräsenz des NS in vielen Bereichen die Tendenz gegenübersteht, Täterschaft und Verantwortung umzuschreiben, abzustreiten, umzudeuten etc.
    Die Vergangenheit ist immer noch Gegenstand des Streits. Die Forschung ist noch längst nicht zu einem Schlusspunkt gekommen. Immer noch werden neue Zusammenhänge sichtbar. Z.B. ist die Forschung ist von den Institutionen immer weiter in der Mikrobereich der Entscheidungsträger und der unteren Täterschicht vorgedrungen. Interessant im hier diskutierten Zusammenhang ist zum Beispiel das Buch von Harald Welzer 'Opa war kein Nazi'. Darin werden die Formen der Erinnerung im Zusammenhang der Familie und im Übergang der Generationen untersucht und die Tendenz gezeigt, den Holocaust und die persönliche Verstrickung in Schuld in der familiaren Tradition vollständig auszublenden, zu verschweigen oder umzudeuten. Meist hat man es mit dem Befund 'mein Opa war in Ordnung' mit einer Form kollektiv verankerter Entschuldungsstrategie zu tun.

  • Diskussionen.de
  • 11 Juli 2004

    "mein Opa war in Ordnung"

    Wenn Nazis von Kollektivschuld faseln

    Mark_ hat folgendes geschrieben: "Geschichte ist Geschichte... jedes Volk hatte seine dunklen Zeiten."

    So redet, wer Verbrecher im "Volk" verstecken möchte. Du bezichtigst damit das Volk der Kollektivschuld.
    Und dann betrügst Du ein weiteres Mal, indem Du Dich als sein Anwalt aufspielst und "jedes Volk" beleidigst.

    Mark_ hat folgendes geschrieben: "Es ist schon so lange her, daß die meisten von uns das nicht erlebt haben."

    Über 50 Mio. haben es überhaupt nicht "überlebt". Ist das ein weiterer Grund zur Entlastung von Verantwortung? Du redest den Schmutz der Nazis und so lange es solche gibt, ist Grund dagegen zu reden.

    Opas Versagen

    Mark_ hat folgendes geschrieben: "... Meine Großeltern hatten mehr Probleme mit den Partisanen als mit der Wehrmacht. ... Die Partisanen ... wollten meinen Großvater zwingen mit ihnen zu kämpfen. Da er nicht wollte (als ein Bauer in einer entlegenen Region war ihm egal wer an der Macht war), ..."

    Dann wird er sich wohl auf Seiten der "Herrenmenschen" gesehen haben, ansonsten hätte es ihm nicht "egal" sein können. Auch diese Passiven haben versagt. Dein Opa war also ein Versager.

    Versagen der Enkel

    Man kann für Versager "Verständnis" haben, aber wenn man es nicht Versagen nennt, dann ist das Verständnis kein wahres Verständnis, sondern Einverständnis mit dem Versagen.

    Das ist Dein Problem. Und deshalb zappelst Du gegen Erinnerung.

    Liebe und Kritik

    Missverstehe mein Anliegen nicht, denn Du sollst Deinen Großvater lieben und achten, aber Du sollst es nicht tun, indem Du ihn in den Taten verfälscht, sondern Du solltest bereit sein, für ihn in Verantwortung zu sein, denn das Geständnis stellt ihn besser als die Fortsetzung der Lüge.

    www.inidia.de/ehre.htm >> Es gibt keine Ehre ohne Ehrlichkeit.

    Niemand soll Dir die Sippenhaft aufzwingen, denn jeder hat das Recht zum Ausschlagen des Erbes.
    Aber die Verantwortungsübernahme in der Sippe :-) durch einen selbst, ist überaus moralisch.

    Auch darum "reden wir noch immer davon".

    Grüße von Sven

  • Diskussionen.de
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