Notizen für die www.Initiative-Dialog.de

25 September 2008

Zum Nazi-Überfall auf Jugendsommercamp

Bei einem Überfall rechter Schläger auf das Jugendsommercamp des (LINKE) parteinahen Jugendverbandes [’solid]-Hessen am Neuenhainer See erlitt eine 13-jährige Teilnehmerin schwere Kopfverletzungen. Vermummte Neonazis waren in den frühen Morgenstunden in das Sommercamp eingedrungen und hatten mit schweren Gegenständen auf die Schlafenden eingeschlagen. Nach Angaben des Hessischen Innenministeriums wurden sieben Täter festgenommen, die die Tat inzwischen gestanden haben. ... (Presseerklärung LINKE/Hessen v. 21.07.08)

Laut FOCUS ist der 19-jährige Hauptangeklagte Mitglied der "Freien Kräfte Schwalm-Eder", die sich im Internet "gegen Ausländergewalt" wichtig tut, womit sie gewiss nicht die rechtsextremistische Gewalt gegen Ausländer meint.

Die Strafverfolgung dieses Verbrechens nimmt unterdessen skurrile Züge an, denn wieder einmal scheinen die Zuständigen mehr bemüht, der Region Imageschäden zu mindern als um die Trockenlegung des reexen Morastes, indem sie aus dem gemeinsamen Überfall der Rechtsextremisten die Aktion eines Einzelnen werden lassen, mit dem die anderen nichts zu tun hätten. Die Staatsanwaltschaft Kassel trennte das Verfahren gegen sechs Rechtsextremisten als Sachbeschädigungsdelikt ab.

Gegen den mutmaßlichen Anführer wird kein Mordversuchsprozess eröffnet, wie es rechtsextremistische Strolche für ihre Gesinnungsgenossen im U-Bahnhof-Verbrechen zweier Ausländer gegen einen deutschen Rentner für eine Selbstverständlichkeit halten, denn nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei dem 19-jährigen Rechtsextremisten keine Tötungsabsicht nachzuweisen. Er hatte einer 13-Jährigen mit einer Gasflasche auf den Kopf geschlagen, desgleichen ihrem älteren Bruder mit einem Klappspaten ebenfalls auf den Kopf.
Ob die Strolche in Haft sind? - Ich weiß es nicht. >> Diskussion

13 September 2008

Ex-NPD-Bundesschatzmeister verurteilt

Münster (Deutschland), 13.09.2008 – Der frühere NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna wurde am 12. September 2008 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der langjährige Schatzmeister der NPD, der die Partei in 80 Fällen um insgesamt 741.000 Euro betrogen hatte, legte ein Geständnis ab. Kemna hatte eine komplette Vollmacht über die Parteikasse der NPD. „Eine Kontrolle durch die Partei fand praktisch nicht statt“, sagte der Staatsanwalt zu Beginn des Prozesses. Auch der Parteivorsitzende, Udo Voigt, bestätigte dies.

Von seinem Anwalt ließ Kemna erklären, er habe das Geld gebraucht, um die finanzielle Situation seiner Firma Wiechmann Küchen GmbH zu verbessern und nicht um der NPD schaden zu wollen. Ursprünglich hatte der Staatsanwalt nach der nur vier Stunden dauernden Verhandlung eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Das Gericht hatte allerdings schon am frühen Vormittag verkündet, nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe aufzuerlegen, wenn Kemna ein Geständnis ablegen würde und sich als schuldig bekennt.

Begonnen hatten die Ermittlungen gegen ihn im Februar diesen Jahres. Kemna wurde seither vorgeworfen, die Parteikasse der NPD in mehr als 80 Fällen um Geld erleichtert zu haben, welches er über Umwege auf Privatkonten und die Konten seiner Firma Wiechmann Küchen GmbH schiffte. Von Anfang an hielten einige Vertreter der NPD das ganze für eine inszenierte Intrige durch das „System“ gegen die NPD. Beispielsweise ließ Udo Voigt, seines Zeichens Parteivorsitzender der NPD, keine Zweifel daran zu, dass Kemna unschuldig sei. Die Situation für Kemna hatte sich seither nicht verbessert. Das zuständige Gericht lehnte jede Bitte um die Freilassung Kemnas aus der Untersuchungshaft strikt ab, da immer noch Flucht- und Verdunkelungsgefahr bestanden hätte.

Der Vorfall hat der NPD enorm geschadet. Finanziell steht die NPD nicht besonders gut da, der Parteivorsitzende Udo Voigt bat wiederholt mehrere Mitglieder um Almosen für die Parteikasse. Als dann mehrere hunderttausend Euro verschwanden, stellte sich die Parteiführung erst völlig hinter den möglichen Schuldigen, ohne irgendwelche Untersuchungen abzuwarten. Später sagte die Parteiführung zu, eine Untersuchungskommission, geleitet von Jürgen Rieger, damit zu beauftragen, den Fall parteiintern aufzuarbeiten. Beim Bundesparteitag im Mai verkündete Rieger dann, es spreche mehr gegen als für Kemna.

Blickt man in die Zukunft, könnte der Vorfall der „nationalen Partei“ noch mehr schaden, denn in den jüngsten Rechenschaftsberichten ist die Partei erstmals in die roten Zahlen gerutscht. Auch ein Wechsel an der Spitze kündigt sich an. Der derzeitige Vorsitzende Udo Voigt hob erst kürzlich die positiven Taten Kemnas hervor und nannte ihn einen „guten Kameraden“. Nun droht Voigt eventuell das Aus als Parteivorsitzender.

Ursprünglich sollte der Prozess acht Tage andauern, wurde allerdings unerwartet bereits am ersten Tag durch das volle Geständnis Kemnas beendet.

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06 September 2008

ARD: "EXIT" erneut ohne Förderzusage

Die gestrigen ARD-Tagesthemen berichteten, dass die Bundesregierung der renommierten Aussteiger-Organisation "EXIT" Fördergelder verweigere und das in diesem Bereich einzig bewährte Projekt vermutlich zum Jahresende die Arbeit einstellt.

Zum Hintergrund aus meiner Sicht:

Unser Antifa-Projekt www.Nazis.de gibt es seit 1998. Mit dem praktizierten Dialog-Anspruch waren wir von Anbeginn Ansprechpartner für Leute, die aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen wollten und Hilfe brauchten, aber das wollten und konnten wir als eigentlich reines Internetprojekt nicht. Alle Versuche, für solche Fälle geeignete Institutionen zu finden, blieben erfolglos. Es gab weder staatliche Stellen noch Organisationen, die sich um Aussteigewillige kümmerten. Das kostete uns zehntausende DM, und dafür waren wir nicht angetreten, nicht zuständig, denn schon der Aufwand des Internetprojekts kostete an freiwilliger Zumutung längst genug, während wichtigere Themen durch das Antifa-Projekt immer zu kurz kamen.

Nach politischen Morden entstand im Jahr 2000 in Schweden eine Organisation namens "Exit", die genau das machte, was erforderlich war:
Leuten zu helfen, die zwar mit Leichtigkeit in die rechtsextremistische Szene kamen, aber bei ihrer Abkehr als "Verräter" von denjenigen verfolgt werden, mit denen sie Straftaten verübten und nun den Zurückbleibern zum Strafverfolgungsrisiko wurden.

Mit diesem Problem war auch unser Projekt konfrontiert, als Gunda und Mathias aus der NS- und NPD-Szene ausstiegen und Kontakt zu uns aufnahmen, Ortswechsel, Unterstützung und Begleitung brauchten.

Im selben Jahr gründete der Rechtsextremismus-Experte und Diplom-Kriminalist Bernd Wagner gemeinsam mit dem Ex-Rechtsextremisten Ingo Hasselbach und einer Anschub-Finanzierung des Magazins STERN den Verein "EXIT-Deutschland" nach schwedischem Vorbild. Dort kamen Gunda und Mathias unter, halfen dann ihrerseits anderen Leuten beim Verlassen der reexen Szene.

Warum keine staatliche Institution?

Es war nie möglich, Aussteiger an staatliche Programme zu vermitteln, weil der Ausstieg aus dem organisierten Extremismus längst nicht gleichbedeutend mit dem Vertrauen in staatliche Institutionen ist, sondern zunächst und zumeist nur der ausschließliche Wille zur verfolgungslosen Abkehr aus einer reexen Szene, die Aussteiger ja genau deshalb bedroht, weil sie im Verdacht stehen, reexe Straftaten an den Staat zu "verraten".

Staatliche "Aussteigerprogramme", wie es damals das Innenministerium mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz ins Leben rief, setzen einen Gesinnungswandel voraus, der entweder vollkommen Ausnahme wäre oder Fake von extremistischen Organisationen, in Umkehrrichtung zu spionieren und aus "V-Leute-Mitteln" zu finanzieren, wie es mehrfach nachweislich wurde.

Staatliche "Aussteigerprogramme" zeugen entweder von einer erschreckenden Inkompetenz oder sind Augenwischerei für eine Öffentlichkeit, die zurecht nach staatlichem Handeln gegen den Rechtsextremismus verlangt, aber anstelle von effektiver Arbeit irgendwelche Projekte "gegen Rechtsextremismus" mit Millionenbeträgen subventionieren soll, die über die Vorzeigefunktion hinaus nichts bewirken.

Dass es für Aussteiger "Schutzprogramme" geben muss, die nach dem Vorbild von "Zeugenschutzprogrammen" z.B. die Wohnadresse solcher Personen verdecken, ist hingegen ohne die Mitwirkung staatlicher Stellen kaum realisierbar oder kostet unzuständige Privatpersonen enormen und mitgefährdenden Aufwand, denn ohne Meldeadresse kein Arbeitsplatz, kein "Hartz4", keine Krankenversicherung usw., aber auch Aussteiger bekommen mal Zahnschmerzen.

Solange jemand Neonazi ist und ordentlich gemeldet, kann er sich fortlaufend in Schlägereien verletzen, weiterhin sein Großmaul riskieren und genießt dennoch alle Ämter in der Pflicht, ihm die Mieten und Zähne zu bezahlen, aber wer da raus will, den lässt der Staat im Stich, wenn er solchen Leuten nun auch noch den einzigen Notausgang verschließt, den EXIT-Deutschland für solche Leute darstellt.

Einzig das Gegenteil wäre richtig: Diesem Verein eines der vielen Häuser zu geben, die im Berlin der geschlossenen Sozialeinrichtungen massenhaft ungenutzt vergammeln, eine zuverlässige Finanzierung für eine verbesserte personelle und materielle Ausstattung zu sichern, regelmäßige Anhörungen zu organisieren, denn wer mit Extremisten befasst ist, sollte nicht auch noch Politikern hinterherlaufen müssen.

EXIT-Deutschland ist ein funktionierendes Modell, das es eher auch für bzw. gegen anderen Extremismus-Erscheinungen braucht, aber den Leutchen in den Parteien scheint nicht ernst zu sein, wenn sie vor den Gefahren des Terrorismus warnen, mit dem sie Milliarden in die Staatskassen holten (z.B. die "Terrror-Steuer" auf Tabakwaren) und fortlaufend behaupten, die Terrorismusgefahr werde unterschätzt.

Bevor ich nun schimpfe, denn ohne EXIT würde auch der Druck auf uns wieder zunehmen, werde ich zunächst mal Politiker zu uns einladen, die sich anschauen sollen, wie die Arbeit mit Aussteigern NICHT funktioniert und wie auch Behörden nicht konnten, sondern eine Organisation wie EXIT-Deutschland notwendig ist, mit Hauptberuflichen, die darauf spezialisiert sind, Aussteigewilligen den Weg in die Zivilgesellchaft zu bahnen.

Und EXIT-Deutschland ist nur für diejenigen gut, für die es nicht ohne Hilfe geht, sondern für den "Kampf gegen den Extremismus" insgesamt, denn dass Leute auch in den schwierigsten Fällen solche Ansprechpartner haben, wirkt sich auf die gesamte Szene schwächend aus.
Wer hingegen nur auf Zeugenschutz und Kronzeugen-Regelungen setzen will, macht vielen Aussteigewilligen die Sprungweite zu groß.

-msr- www.inidia.de/nazi-aussteiger.htm >> Diskussion